Wir sind hier
„Wir sind hier“ ist ein Angebot für junge Menschen. Es wird über gesellschaftliche Problem diskutiert. Welche Themen es sind, entscheiden die Teilnehmenden gemeinsam mit dem Kursleiter. Sie entwickeln kreative Ideen, wie sie zu demokratischen Lösungen des Probelms beitragen können.
Die Kurse finden in der JVA Laufen/Lebenau statt. Die Teilnahme wird innerhalb der Strafvollzugsanstalt mittels Flyer ausgeschrieben. Die Teilnahme ist also immer freiwillig.
Gemeinsam mit ihrem Kursleiter tauschen sich die Jugendlichen erst darüber aus, welche Handlungsbedarfe es ihrer Meinung nach in ihrer (künftigen) Lebenswelt, also außerhalb des Strafvollzug gibt. Sie entwickeln gemeinsam ein Zukunftsbild.
Sie lernen Missstände zu benennen, aber auch positive Szenarien zu entwickeln. Um ihre Anliegen für andere verständlich machen zu können, lernen sie zu recherchieren, Informationen zu bewerten und Anliegen zu veranschaulichen.
An sechs Tagen können sich die Teilnehmenden nicht nur in der Theorie Wissen aneignen, sondern in der geschützten Umgebung eines Workshops ausprobieren, wie die praktische Umsetzung Ihres Lösungsansatzes aussehen könnte. Mit Hilfe kreativer Methoden werden Formate entwickelt, die demokratisch, friedlich und zielgerichtet sind.
Im Frühjahr 2023 entscheiden sich die Teilnehmenden des Workshops das Thema Rassismus als Schwerpunkt zu wählen. Die jungen Männer erarbeiten gemeinsam ihre Haltung zum Thema Rassismus. Sie machen gemeinsam deutlich: NO RACISM.
Im Herbst 2022 entscheidet sich eine Gruppe junger Männer für das Thema Klimawandel. Sie gründen eine fiktive Protestgruppe. Im Bild ist ein Banner zu sehen, dass die Gruppe entworfen hat. Sie appellieren eindrücklich an die Menschen ihr Verhalten zu ändern.
„Wir sind hier“ wird von der Volkshochschule Rupertiwinkel in Kooperation mit der Kommunalen Jugendpflege des Landratsamtes Berchtesgadener Land und der JVA Laufen/Lebenau durchgeführt und als Projekt vom Deutschen Volkshochschul-Verband aus Mitteln Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJP) vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
Auch hinter Gittern beschäftigt der Klimawandel die Jugendlichen
„Wir sind hier“: Jugendliche in der Lebenau üben bei politischem Bildungs-Workshop fiktiven Protest
Ein brennender Feuerball in Gestalt der Erde rauscht im linken Winkel zu Boden, auf der rechten Seite des großformatigen Plakats scheint das Grab schon geschaufelt. Der symbolische Grabstein trägt die Inschrift: „Ruhe in Frieden, Klima“. Inmitten ist ein eindringlicher Appell zu lesen: „Wir schaufeln unser eigenes Grab.“ Der Klimawandel beschäftigt Jugendliche auch hinter Gefängnismauern. Diese Tatsache und der hohe Grad an Reflexion von acht in der JVA Laufen/Lebenau inhaftierten Jugendlichen hat die Kooperationspartner eines politischen Projekts zuletzt positiv überrascht.
Der Workshop mit dem Titel „Wir sind hier – Protest als demokratische Beteiligung“ entstand unter Leitung der Volkshochschule Rupertiwinkel in Kooperation mit der Kommunalen Jugendpflege des Landratsamtes Berchtesgadener Land und war ein Pilotprojekt. Durchgeführt wurden die insgesamt sechs Workshops im Oktober und November 2022. Die acht Teilnehmer hatten sich auf eine Ausschreibung hin freiwillig zu dem Kurs gemeldet.
Kreativer, demokratischer Protest
Für die theoretische und pädagogische Ausgestaltung und die praktische Durchführung vor Ort war Andreas Lindner, Sozialpädagoge B.A., als Kursleiter verantwortlich. An sechs Samstagen lernten die jungen Menschen, ein von ihnen selbst gewähltes gesellschaftliches Problem zu diskutieren und Ideen zu entwickeln. Wie kreativer, demokratischer Protest zum Finden von friedlichen und zielgerichteten Lösungen beitragen kann, war ebenso Thema wie die Erarbeitung von elementarem Handwerkzeug für die Beteiligung als mündige Bürger in einer demokratischen Gesellschaft.
Die Kommunale Jugendpflegerin Tanja Kosmaier hatte die Idee, ein Projekt in der Justizvollzugsanstalt zu starten. Die Ergebnisse bestätigen ihr Vertrauen in die Jugendlichen. Demokratisch und mit Sinn für die größeren Zusammenhänge formulierten die Jugendlichen sehr eindringlich das, was sie für eine Notwendigkeit halten: umzudenken und klimagerecht zu handeln.
Sechs Workshops
Die Themen der sechs Workshops bauten pädagogisch sinnvoll aufeinander auf: Lernten die Jugendlichen zu Beginn, ihr Anliegen zu formulieren und Problemlagen zu identifizieren, wurden sie danach zu Experten des eigenen Anliegens, indem sie Methoden lernten, wie sie ihre Interessen authentisch vertreten können. Um Kommunikation im öffentlichen Raum und mit einem persönlichen Gegenüber ging es im dritten Workshop. Wertesysteme, Engagement und Moralvorstellungen, aber auch die UN-Menschenrechtskonvention standen danach im Mittelpunkt. So vorbereitet, war die Gruppe ausgerüstet mit den notwendigen Kompetenzen dafür, wie man sich in der Gesellschaft einmischt und einbringt. Rückblick und Einordnung des bis dahin Vermittelten und Geübten schlossen dieses Pilotprojekt ab.
Amtsleiter Florian Zecha überlegt mit seinem pädagogischen Team, den Jugendlichen Möglichkeiten innerhalb der Einrichtung zu eröffnen, um sich mehr im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu engagieren. Weitere Bildungs-Workshops in der JVA sind geplant.
Die Leiterin der Vhs Rupertiwinkel, Dr. Helga Huber, ist überzeugt: „Bildung funktioniert am besten, wenn man sich auf Augenhöhe begegnet. Kursleiter Andreas Lindner hat die Jugendlichen ernst genommen, sich Zeit genommen, ihre Sichtweisen anzuhören und mit ihnen gemeinsam gearbeitet.“ Herausgekommen seien dabei Forderungen nach Änderungen auf struktureller Ebene, aber auch ein Appell, die eigenen Handlungsmöglichkeiten zu überdenken. „Wir sollten die Jugendlichen, die sich für Klimaschutz engagieren, ernst nehmen. Innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern“, sagte Huber.
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